Hightech oder Lowtech?

Unser Dossier bietet einen detaillierten Vergleich zwischen Hightech- und Lowtech-Ansätzen für nachhaltige Neubauten.

Zwei Wege zu CO2-neutralen Neubauten

Nachhaltige Neubauten werden in einigen Jahren weit verbreitet sein. Bei den ersten Pionierprojekten sind zwei Ansätze aufgefallen. Der erste setzt auf technologische Lösungen für Heizung, Warmwasser und Strom; der zweite verzichtet weitestgehend auf technische Systeme und heizt ein Bürogebäude nur mit Abwärme und passiver Sonnenenergie. Beide bewähren sich in der Praxis, wie Beispiele aus Brütten ZH und Emmen LU zeigen.

Der Immobilienbestand ist noch immer für 30% des gesamten CO2-Ausstosses in der Schweiz verantwortlich. Diese Zahl reduzieren könnten mittelfristig CO2-neutrale Neubauten. Erste Prototypen solcher Gebäude sind bereits seit mehreren Jahren in Betrieb, entsprechende Erfahrungen liegen vor und stimmen positiv. Dabei gibt es bisher zwei komplett unterschiedliche, nicht vergleichbare Ansätze:

  • Hightech
    Modernste Heiz- und Betriebsenergiesysteme ermöglichen zusammen mit einer darauf abgestimmten Architektur komplett energieautarke Gebäude. Das Gebäude sorgt fürs Heizen, Kühlen, das Warmwasser und den Haushaltstrom.
  • Lowtech
    Die Gebäudemasse dient als Speicher. Die gewünschten Temperaturen werden durch ein Einspeichern von passiver Sonnenenergie und Abwärme in der eigenen Gebäudemasse sichergestellt. Auf ein aktives Heizsystem kann verzichtet werden.

Hightech: Mehrfamilienhaus in Brütten ZH

Ein gutes Beispiel für den Einsatz von Hightech ist ein Mehrfamilienhaus in Brütten ZH – das erste energieautarke Gebäude seiner Art in der Schweiz. Es wird ohne externe Energiezulieferung betrieben. Ein Backup zum lokalen Stromversorger existiert nicht. Möglich wurde diese radikale Lösung durch das Energiekonzept der «4S» – sammeln, speichern, sparen und Sorge tragen. Hocheffiziente Solarpaneelen auf Dach und Fassade sammeln das ganze Jahr über Sonnenenergie. Zusätzliche Energie wird über Umgebungswärme gewonnen. Speicher im und unter dem Gebäude speichern die gesammelte Energie. Parallel dazu ist das Gebäude hoch energieeffizient realisiert und damit sehr sparsam. Die Bewohnerinnen und Bewohner verfügen über ein hohes Umweltbewusstsein und tragen Sorge zur Energie, im Alltag möglichst effizient und bewusst mit Energie umzugehen.

Das zukunftsweisende Mehrfamilienhaus in Brütten ZH stammt aus der Feder von René Schmid Architekten AG und der Stiftung Umwelt Arena Schweiz. Zentrale Elemente der Energieautarkie  in folgender Übersicht: 

  • Photovoltaikanlage auf Dach und an der Fassade mit einer Gesamtleistung von 127 kWP
  • Zentrale Wärmepumpe für Warmwasser und Raumheizung
  • Der Wärmepumpe nutzt Wärme aus der Luft, dem Erdreich und der Abwärme
  • Wasserspeicher mit 2 je 125 m3 grosse Langzeitspeicher
  • Batteriespeicher (153 kWh) zur Überbrückung der Nacht, Regen-, Schnee- und Nebeltage
  • Produktion Wasserstoff (Elektrolyse) im Sommer zur Nutzung der überschüssigen Solarenergie
  • Brennstoffzelle zur Produktion von Strom und Wärme mit dem im Sommer eingelagerten Wasserstoffs
  • Komfortlüftung zur Gewährleistung einer hohen Luftqualität und Reduktion von Wärme-Lüftungsverlusten
  • Nutzung von Abwärme und passiver Solarenergie, die massive Gebäudekonstruktion wirkt als Wärmespeicher
  • Wassersparende Armaturen zur Reduktion der Wassermenge
  • Energiemanagement zur Optimierung der technischen Geräte und Energieflüsse
  • Der Ressourcenverbrauch wird der Bewohnerschaft mit einer App visuell dargestellt; ein Bonus-Malus-System fördert den bewussten Umgang mit der Energie

Die Umwelt Arena Schweiz wollte mit diesem Leuchtturmprojekt Hausbesitzern und Investoren zeigen, dass mit heutiger Technologie Energieautarkie und CO2 -neutrales Wohnen möglich ist, und das ist vollumfänglich gelungen.

Projekt Brütten ZH


Lowtech: Bürogebäude Emmenweid 2226

Einen komplett anderen Ansatz wählten Baumschlager Eberle Architekten für das Bürogebäude Emmenweid 2226 in Emmen, nahe der Viscosistadt – ebenfalls ein aufsehenerregendes Pilotprojekt. Der Name des Gebäudes – 2226 – geht auf den Zieltemperaturbereich zurück. Das Gebäude kann ohne aktives Heizsystem im Komfortbereich betrieben werden: mindestens 22° während der Heizperiode und maximal 26° an Hitzetagen. Möglich machen diese eine gut gedämmte Gebäudehülle mit minimalen Wärmeverlusten, die Speichermasse des Gebäudes und eine spezifische Bauweise, die es erlauben, die Wärme zu speichern und über einen langen Zeitraum kontinuierlich abzugeben. Die rund 80 Zentimeter starke Aussenwand des Gebäudes Emmenweid 2226 ist ein Verbundmauerwerk aus einem inneren tragenden und einem äusseren hochdämmenden Backstein. Die Bauteile Böden/Wände/Decken sind so ausgestaltet, dass ihre Masse zur Wärmespeicherung aktiviert werden kann.

Doch woher kommt nun die notwendige Wärme? Neben der Abwärme von Licht, Menschen und Technik ist der solare Energiegewinn entscheidend. Die Fenster sind so angeordnet, dass die tiefstehende Wintersonne das Gebäude maximal erwärmt und der hochstehenden Sommersonne eine maximale Verschattung bieten. Für eine stets gute Luftqualität sorgt die 2226 Gebäudesteuerung, die eine automatisierte Frischluftzufuhr über die Lüftungsklappen im Fenster reguliert. Die Nutzenden können bei Bedarf nach Frischluft die Klappen auch selbst öffnen; diese schliessen jedoch automatisch, wenn Temperatur und CO2 -Gehalt wieder optimal sind. Durch diese Massnahmen kann auf Hightech für Heizung, Kühlung und Lüftung verzichtet werden. Das bedeutet tiefere Erst-Investitionskosten, sehr tiefe Betriebskosten sowie wenig Instandsetzungskosten, da kaum Technik ersetzt werden muss.

Mehr zum Projekt Emmenweid


Lösung muss an Nutzung und Lage angepasst sein

Welcher Ansatz ist nun der bessere – Hightech oder Lowtech? Nun, es gibt kein richtig oder falsch. Je nach Nutzung (Wohnen, Büro), Solar-Potenzial und Priorisierung kann sich der eine oder der andere Weg als zielführender erweisen. 

Beide Ansätze haben den Praxistest bestanden und sich im Winter wie auch im Sommer bewährt. Jedes Gebäude ist individuell auch bezüglich Nachhaltigkeit zu beurteilen. Eine Analyse durch unabhängige Experten mit einem Gesamtverständnis für die Nutzung, die Wirtschaftlichkeit und die Gebäudesubstanz verspricht dabei den grössten Erfolg für die Eigentümerschaft.

Die Immobilien Experten der LUKB unterstützen Sie in der Evaluation des Gebäudesystems, beurteilen Ihr Projekt bezüglich Kosten- und Ertragspotenzial und zeigen Ihnen die bestmöglichen Handlungsmöglichkeiten auf.

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